Sonntag, 12. Mai 2013

Nicht denken


Ich liege wach. Die Minuten werden immer länger und länger. Und ich habe Angst.

Ich habe es mir angewöhnt, mich tagsüber so gut es nur geht, abzulenken. Mir ist alles recht, das irgendwie meine Gedanken betäubt und die Panik unterdrückt. Je lauter, desto besser. Je unwichtiger, desto besser. Nichts, dem ich aufmerksam folgen muss, weil ich mich doch sowieso nicht konzentrieren kann.

Nur nicht denken.

Nicht denken.

Aber irgendwann kommt die Nacht und mit ihr kommen auch all die Gedanken zurück, die ich so mühevoll ausgeblendet habe. Und ich habe Angst, so viel Angst.

Vor allem seit ich die Tabletten abgesetzt habe, ist meine Angst vollkommen außer Kontrolle geraten. Ich fühle mich immer am Rand der totalen Panik, kurz vorm Zusammenbruch und kaum belastbar. Die Tage, an denen ich das Haus verlassen muss, sind unbeschreiblich anstrengend. Ich schwitze, mein Herz rast, ich kriege kaum noch Luft, mein Magen ist ein einziger schmerzhafter Knoten und es fällt mir schwer, die Tränen zurückzudrängen. Wenn ich nach Hause komme, ist mir vor Erschöpfung schwindlig und ich krieche sofort ins Bett. Im Bett fühle ich mich sicherer. Zumindest, solange ich die Gedanken ausschalten kann.

Wenn ich allein wach liege und mich nicht ablenken kann, ist es am Schlimmsten. Die Anspannung steigt und steigt und steigt. Tausend Dinge auf einmal, Angst im Bauch, Unruhe, Panik, Panik, PANIK.

Mir fällt kein Ausweg ein und ich fühle mich wie gefangen. Die Stunden verstreichen, ich bin immer noch wach und warte darauf, dass die Erschöpfung meinen Körper irgendwann doch noch abschaltet.

Es sind diese Momente, in denen ich am liebsten sterben will.

Ich denke daran, mir weh zu tun. Wenigstens schneiden, um die Anspannung loszuwerden.

Um einen Moment wieder atmen zu können.

Donnerstag, 21. März 2013

Das letzte Jahr


Es ist über ein Jahr her, dass ich hier etwas geschrieben habe. Vor über einem Jahr habe ich hier versucht, die richtigen Worte für meinen Schmerz zu finden, als eine Art Ausweg, um das Chaos irgendwie zu ordnen.

Und mit einem Mal habe ich aufgehört. Warum?

Weil ich keine Ahnung hatte, wie dieses Jahr für mich aussehen würde.

Das letzte Jahr war das schlimmste Jahr meines Lebens. Ich dachte ich weiß, was es bedeutet, unglücklich zu sein. Ich dachte ich weiß, wie es ist, wenn man depressiv ist. Wenn man verzweifelt ist. Wenn man nicht mehr leben will.

Ich hatte nicht die leiseste Ahnung.

Irgendetwas in mir scheint endgültig kaputt. Ich weiß es auch nicht, ich kann mir selbst kaum erklären was mit mir ist. Ich erkenne mich kaum wieder.

Ich kenne mich mit dem Unglücklich-Sein aus, wirklich. Ich sollte eigentlich daran gewöhnt sein. Aber das hier... das ist mehr als ich mir je vorstellen konnte.

Ich bin nicht einfach nur unglücklich. Ich bin leer. Erschöpft. Völlig antriebslos. Ohne jede Hoffnung und verzweifelt. Ich weiß nicht mehr weiter.

Ich habe mich früher nie getraut, das Wort "Depression" für mich zu beanspruchen. Ich fand es arrogant, zu behaupten, ich würde an einer ernsten psychischen Störung leiden, wenn ich doch nur zu unfähig war, mein Leben auf die Reihe zu bekommen. Aber in den letzten Monaten habe ich aufgehört, daran zu zweifeln. Es macht keinen Sinn mehr, dass es mir so schlecht geht. Das ist nicht mehr rational, basiert nicht auf den Dingen die passieren oder passiert sind. Das bin nicht mehr ich.

Ich empfinde keine Freude mehr. Alles, was mir mal wichtig war, ist mir so egal. Ich kann mich für nichts begeistern. Dinge, die ich früher benutzt habe, um aus einem Tief herauszukommen, haben keine Wirkung mehr. Ich habe keinen Antrieb, keine Motivation, nichts. Ich liege im Bett. Jeden Tag. Lenke mich ab. Warte, dass die Zeit vergeht und fürchte mich doch gleichzeitig davor.

Die einfachsten Aufgaben sind mehr, als ich überhaupt bewältigen kann. Ich versage in der Uni, das ganze letzte Jahr habe ich ruiniert. Ich habe alle Prüfungen aufgeschoben, weil ich keine Kraft hatte zu lernen. Oder auch nur für eine Vorlesung das Haus zu verlassen. Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Ich werde das Gefühl nicht los, jeden Tag dümmer zu werden. Alles bröckelt. Ich kann den Schein nicht mehr aufrecht erhalten.

Es kommt sehr oft vor, dass ich es eine Woche lang nicht schaffe, zu duschen oder mir die Zähne zu putzen. Selbstfürsorge ist auf meiner Prioritätenliste ganz ganz unten. Ich gehe nicht einkaufen. Ich räume nicht auf. Ich tue nichts.

Ich melde mich manchmal wochenlang nicht bei Freunden. Weil ich nicht weiß, was ich sagen soll. Was antwortet man, auf die Frage, wie es einem geht? Was soll man erzählen, über die letzte Zeit? Ich liege nur im Bett, das ist alles.

Ich habe versucht, Hilfe zu bekommen.

Ich hätte nie gedacht, dass ich das tun würde. Ich war immer davon überzeugt, dass ich keine Hilfe verdient hätte. Dass es anderen schlechter ginge als mir, dass ich diesen Menschen nicht den Platz wegnehmen dürfte. Aber irgendwann ging es einfach nicht mehr. Ich konnte nicht mehr. Ich habe nachgegeben und eine Therapie angefangen.

Und das hat alles noch schlimmer gemacht.

Ich weiß nicht, ob die Psychiaterin, bei der ich war, grundsätzlich schlecht war, oder einfach nur schlecht für mich. Es hat 10 Sitzungen gedauert, bis ich es nicht mehr ausgehalten habe. Ich habe mir wirklich Mühe gegeben. Ich war offen, habe mich beteiligt, habe auch gesagt, was mir nicht gefällt, in der Hoffnung, dass es uns weiterbringen würde. Woche für Woche saß ich vor dieser Frau und habe Dinge ausgesprochen, die ich niemals jemandem erzählen wollte. Habe Vertrauen geschenkt, das ich eigentlich nicht besitze. Ihr schien das zu gefallen, denn sie hat weitergebohrt, immer tiefer und tiefer. In mir wurde alles immer instabiler. Mehr als einmal kam ich nach einer Sitzung weinend nach Hause. Besser gefühlt habe ich mich nie. Ich wurde auch im Laufe der Sitzungen immer unruhiger, man konnte mir die Anspannung direkt ansehen. Es war zuviel. Jede Woche all die Erinnerungen hervorzuwühlen, ohne Richtung, ohne Sinn. Ohne dass ich irgendeinen Nutzen darin erkennen konnte. Mir wurde gesagt, ich sei lebensunfähig, wolle es mir nur auf Hartz-IV bequem machen. Ich fing an, mich vor der Therapie zu fürchten. In der Sitzung, als ich mich endgültig dazu entschied, die Therapie abzubrechen, sagte ich der Psychiaterin, dass ich emotional überflutet und angespannt sei. Dass ich den Drang hatte, mir etwas anzutun. Dass ich nicht wüsste was ich tun sollte. Sie ignorierte es. Bohrte weiter in schmerzhaften und traumatischen Erinnerungen. Warf mir am Ende der Sitzung vor, ich würde die Menschen um mich herum vor den Kopf stoßen. Würde immer alles als "sehr schlimm" beschreiben. Ich hatte Tränen in den Augen, als ich ging. Als ich ihr in der nächsten Woche sagte, dass ich nicht mehr wiederkommen würde, schien sie davon unberührt.

Ich fing auch an, Medikamente zu nehmen. Auch das hatte ich nie gewollt. Ich hatte immer Angst vor diesem Thema, vor all den Risiken und auch vor den Ärzten. Aber ich war verzweifelt. Ich wollte raus aus diesem Tief, aus diesem Nichts, aus diesem Zustand, in dem ich mich einfach nicht mehr wiedererkennen konnte. Nach dem Ende der Therapie suchte ich mir deshalb eine andere Psychiaterin, um weiterhin Antidepressiva zu bekommen. Sie haben mir nie viel genützt. Ich bekam Nebenwirkungen. Verdauungsprobleme, Schlafstörungen, intensive Alpträume, unruhige Beine. Dann bekam ich Tabletten gegen die Nebenwirkungen. Tabletten zum schlafen. Von denen ich noch mehr Nebenwirkungen bekam. Bis ich irgendwann nur noch schlief. Die ganze Nacht. Den ganzen Tag. Ohne dass ich es kontrollieren könnte. Und ohne dass die Alpträume aufhörten. Ich konnte jetzt nur nicht mehr aus ihnen aufwachen.

Vor drei Wochen habe ich der Psychiaterin gesagt, dass ich mit den Tabletten so nicht zurechtkomme. Ich war nach wie vor völlig antriebslos, völlig kraft- und freudlos. Warum sollte ich weiter mit den Nebenwirkungen kämpfen, wenn es nicht wenigstens auch den ein oder anderen positiven Effekt gab? Ich hoffte, wir könnten das Präparat wechseln, etwas Neues versuchen, irgendwas. Die Psychiaterin sagte mir, dass es nicht an den Tabletten läge, dass es mir nicht besser ginge, sondern an mir. Ich versuche nicht genug, gesund zu werden. Sie erneuerte mein Rezept und schickte mich raus. Nächster Termin in 5 Wochen. Ein Zettel und 5 Wochen. Jedes mal.

Ich habe die Tabletten in den letzten Wochen immer weiter reduziert. Heute werde ich sie endgültig absetzen. Ich kann das nicht mehr. Ich will das nicht mehr. Nicht, wenn ich nicht ein bisschen daran glauben kann, dass es auch einen Sinn hat. Mich irgendwie weiterbringt.

Zur Zeit sind vor allem die Ängste wieder sehr stark. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich mit den Tabletten aufgehört habe, oder ob es andere Gründe hat. Ich kann schon seit einer ganzen Weile nicht mehr auseinanderhalten, was zu mir gehört, was anders entstanden ist, was andere glauben, dass zu mir gehört und was ich überhaupt fühle. Ich habe einfach Angst, mehr weiß ich nicht.

Ein paar Mal habe ich auch selbst versucht, mich zu motivieren, wieder eine Struktur zu bekommen. Ich habe mir Pläne geschrieben, mir "schöne Dinge" verordnet, versucht, Gründe zum weiterkämpfen zu finden. Mir fallen keine mehr ein. Ich scheitere immer wieder.

Ich will nicht mehr, dass es so weitergeht.

Ich weiß nicht, was ich tun soll.

Warum schreibe ich das alles überhaupt auf?

Ich kann nicht schlafen. Das geht inzwischen fast jede Nacht so. Ich liege wach, stundenlang, während in mir die Panik steigt. Ich habe tausend Gedanken. Auch Suizidgedanken.

Ich versuche mich abzulenken. Kann mich nicht konzentrieren. Ich suche nach Hoffnung, weiß nicht, was ich mir wünschen soll.

Ich habe Angst. Ich bin müde.

Ich weiß nicht, was mit mir passiert ist. Ich weiß nicht mehr wer ich bin.

Das letzte Jahr war schrecklich. Und ich habe furchtbare Angst, dass das nächste Jahr genauso wird.

Donnerstag, 9. Februar 2012

Unerträglich

Das Gefühl, irgendwo vollkommen fehl am Platz zu sein, als wäre jede Faser, aus der man besteht, einfach nur falsch und als wäre man ein Insekt, das es zu beseitigen gilt.

Now playing: Janus - Was uns zerbricht

Dienstag, 31. Januar 2012

Angsttage

Diese Tage, an denen ich mich wieder genauso fühle wie damals, genauso klein und überfordert und hilflos, diese Angsttage, an denen alles wieder auf mich einstürzt, so als wäre es nie weg gewesen und an denen mir wieder so vollkommen klar wird, warum ich dumm und wertlos und nicht liebenswert bin, diese Tage lassen mich daran zweifeln, ob ich es jemals jemals jemals schaffen werde, frei zu sein.

Now playing: Lacrimosa - Kabinett der Sinne

Freitag, 27. Januar 2012

Unbezahlbar

Das Gefühl, wenn man etwas, in dem man nicht besonders gut ist und vor dem man eigentlich auch wahnsinnig viel Angst hatte, am Ende doch ganz gut über die Bühne gekriegt hat.

Now playing: Zeraphine - Wenn du gehst