Freitag, 23. Dezember 2011

Emotionen

Es gibt diese Nächte, in denen so vieles auflebt, was für gewöhnlich ganz sorgfältig in der hintersten Ecke der Seele verschnürt, verpackt und eingeschlossen war, in der Hoffnung, dass es dort doch bitte für immer bleiben möge. Es sind diese Gedanken, die dazu in der Lage sind, einem alles zu nehmen, einen zu Boden zu reißen und das Herz auf dem Boden zu zertreten. Diese Gedanken, die einen wieder und wieder dazu zwingen zu rekapitulieren, was man doch eigentlich nur vergessen wollte, es sind diese Gedanken, die einem wieder all die Emotionen vor Augen führen, die man normalerweise nicht zeigt, weil sie einen angreifbar, verletzlich und schwach machen.

Nur wer weiß, wie emotional du bist, kann dich wirklich verletzen, kann dir weh tun oder dich zerstören. Emotionen sind schuld daran, dass man sich Dinge zu Herzen nimmt, die eigentlich völlig egal sind, Emotionen sorgen dafür, dass man nicht vergessen kann, was andere zu einem gesagt haben. Emotionen sorgen für schlaflose Nächte, Kopfschmerzen, verweinte Gesichter und jede Menge Angst. Sie sorgen dafür, dass man sich quält, wenn der Quälende schon längst keinen Gedanken mehr an einen verschwendet, sie fressen auch dann noch an dir, wenn jeder andere schon längst vergessen hat, worüber man überhaupt spricht. Manchmal wünsche ich mir, ich hätte keine Emotionen.

Manchmal wünsche ich mir, ich könnte um mich herum eine Mauer aufbauen, so groß, dass sie alles überragt. So stark, dass sie alles abwehrt. Und so sicher, dass sie nichts und niemanden durchlässt. Schon gar keine Emotionen. Ich möchte manchmal so kalt sein, dass mich nichts mehr berührt, ich möchte allein sein, damit keiner sieht was ich fühle, ich möchte meine Augen für immer schließen, damit ich nicht sehen muss, was andere fühlen.

Denn wenn man fühlt, wenn man wirklich fühlt, dann muss man wahrhaben, was man eigentlich niemals wahrhaben will. Dann muss man einsehen, dass man einen Scheißdreck wert ist, dass es nicht zählt, ob man nun gute oder böse Absichten hatte und dass man am Ende doch nur wieder die Schuld für alles trägt, weil es anders gar nicht sein kann.

Wenn man sich vor Augen hält, was andere fühlen, wenn man realisiert, wie wenig noch von Bedeutung ist, wie berechtigt die Zweifel waren und wie vorhersehbar all der Schmerz, dann will man nur, dass es aufhört.

Ich will, dass es aufhört. Ich will, dass mein Herz stehen bleibt, meine Gedanken verstummen, mein Inneres erfriert und meine Mauer immer größer wird. Weil es diese Nacht ist, diese Nacht, in der ich nichts mehr ertragen kann und mir nur wünsche, alles was bisher war, für immer zu vergessen, nicht mehr zu denken, nicht mehr erinnern, nicht mehr wissen, dass alles so passiert ist, weil ich ja doch immer wieder hoffe, dass es doch anders wäre, dass nur der Blick zurück verzerrt und die Wahrheit doch viel schöner ist, obwohl ich damit die Mauer einreiße und jedem erlaube, mit mir zu tun, was immer ihm gefällt.

Ich weiß nicht, wie oft es schon passiert ist. Ich weiß auch nicht, warum es immer wieder passiert. Ich möchte sie nur alle vergessen.

Now playing: Beloved Enemy - Rain